Viel zu große Härte in den Gefängnissen

Folter und Gefängnisse zur Zeit der Hexenprozesse und heute

Viel zu große Härte in den Gefängnissen

Aus: Anton Praetorius, Von Zauberey und Zauberern. Gründlicher Bericht, Heidelberg 1613, S. 211

Bei den Richtern und Amtsleuten und Bürgermeistern findet sich viel zu große Härte in den Gefängnissen. Das beklagt auch die Halsgerichtsordnung. Ich habe selbst solche Gefängnisse gesehen in Besuchung der Gefangenen. Wenn solche Gefangene in langer Einzelhaft ganz verzagt werden, macht sich der Teufel herzu, dass sie ganz verzweifelt werden und sich das Leben nehmen. Die Haare stehen mir zu Berge, wenn ich davon erzähle. Mein Herz will mir im Leibe zerspringen, wenn ich daran denke, dass ein Mensch den anderen um einiger Sünden willen so greulich plaget, so viel ängstet und dem Teufel zu Raube setzt und in solchen Jammer bringt.

In dicken, starken Thürmen, Pforten, Blochhäusern, Gewölben, Kellern, oder sonst tiefen Gruben sind gemeinlich die Gefängnussen. In denselbigen sind entweder große, dicke Hölzer, zwei oder drei über einander, daß sie auf und nieder gehen an einem Pfahl oder Schrauben durch dieselben sind Löcher gemacht, daß Arme und Beine daran liegen können. Wenn nun Gefangene vorhanden, hebet oder schraubet man die Hölzer auf, die Gefangen müssen auf ein Klotz, Steine oder Erden niedersitzen, die Beine in die untern, die Arme in die obern Löcher legen. Dann lässet man die Hölzer wieder fest auf einander gehen, verschraubt, keilt und verschließet sie auf das härtest, daß die Gefangen weder Bein noch Arme nothdürftig gebrauchen oder regen können. Das heißt, im Stock liegen oder sitzen.

Etliche haben große eisern oder hölzern Kreuz, daran sie die Gefangen mit dem Hals, Rücken, Arm und Beinen anfesseln, daß sie stets und immerhin entweder stehen, oder liegen, oder hangen müssen, nach Gelegenheit der Kreuze, daran sie geheftet sind. Etliche haben starke eiserne Stäbe, fünf, sechs oder sieben Viertheil an der Ellen lang, dran beiden Enden eisen Banden seynd, darin verschließen sie die Gefangenen an den Armen, hinter den Händen. Dann haben die Stäbe in der Mitte große Ketten in der Mauren angegossen, daß die Leute stäts in einem Läger bleiben müssen. Etliche machen ihnen noch dazu große, schwere Eisen an die Füße, daß sie die weder ausstrecken, noch an sich ziehen können. Etliche haben enge Löcher in den Mauren, darinn ein Mensch kaum sitzen, liegen oder stehen kann, darinn verschließen sie die Leute ohngebunden, mit eisern Thüren, daß sie sich nicht wenden oder umbkehren mögen.

Ettliche haben fünfzehn, zwanzig, dreißig Klaftern tiefe Gruben, wie Brunnen oder Keller aufs allerstärkest gemauret, oben im Gewölbe mit engen Löchern und starken Thüren Gerembsten, dardurch lassen sie die Gefangen, welche an ihren Leibern sonst nicht weiter gebunden, mit Stricken hinunter, und ziehen sie, wenn sie wöllen, also wieder heraus. Solche Gefängnuss habe ich selbst gesehen, in Besuchung der Gefangenen; gläube wohl, es seyn noch viel mehr und anderer Gattung, etliche noch greulicher, etliche auch gelinder und träglicher. Nach dem nun der Ort ist, sitzen etliche gefangen in großer Kälte, daß ihnen auch die Füß erfrieren und abfrieren, und sie hernach, wenn sie loskämen, ihr Lebtage Krüppel seyn müssen. Etliche liegen in stäter Finsternuß, daß sie der Sonnen Glanz nimmer sehen, wissen nicht, ob’s Tag oder Nacht ist. Sie alle sind ihrer Gliedmaßen wenig oder gar nicht mächtig, haben immerwährende Unruhe, liegen in ihrem eigenen Mist und Gestank, viel unfläthiger und elender, denn das Viehe, werden übel gespeiset, können nicht ruhig schlafen, haben viel Bekümmernuß, schwere Gedanken, böse Träume, Schrecken und Anfechtung. Und weil sie Hände und Füße nicht zusammen bringen und wo nöthig hinlenken können, werden sie von Läusen und Mäusen, Steinhunden und Mardern übel geplaget, gebissen und gefressen. Werden über das noch täglich mit Schimpf, Spott und Dräuung vom Stöcker und Henker gequälet und schwermüthig gemacht.

Summa, wie man sagt: Alle Gefangen arm! Und weil solches alles mit den armen Gefangenen bisweilen über die Maßen lang währet, zwei, drei, vier, fünf Monat, Jahr und Tag, ja etliche Jahr: werden solche Leute, ob sie wohl änfänglich gutes Muths, vernünftig, geduldig und stark gewesen, doch in die Länge schwach, kleinmüthig, verdrossen, ungeduldig, und wo nicht ganz, doch halb thöricht, mißtröstig und verzagt. – O ihr Richter, was macht ihr doch? Was gedenkt ihr? Meinet ihr nicht, daß ihr schuldig seyd an dem schrecklichen Tod eurer Gefangenen?“