Heinrich von Schultheiß

Heinrich von Schultheiß

Heinrich von Schultheiß (* 1580 in Scharmede bei Salzkotten; † 1646 vermutlich in Arnsberg) war ein berüchtigter Hexenrichter in Westfalen. Bekannt wurde er aber als Hexentheoretiker vor allem durch Streitschriften zur Verteidigung der Hexenprozesse.

Familiäre Herkunft und Ausbildung

Wenn es richtig ist, dass Schultheiß Sohn eines Heinrich Schulte aus Scharmede im damaligen Hochstift Paderborn war, stammte er aus einer begüterten großbäuerlichen Familie. Vater Heinrich war zudem als Amtmann Vertreter der Obrigkeit und stand in Beziehung zum geistlichen und weltlichen Adel des Territoriums. Der junge Heinrich wuchs in einer Zeit auf, als die Gegenreformation unter Bischof Dietrich von Fürstenberg (1585-1618) im Hochstift ihren Höhepunkt erreichte. Unter ihm übernahmen die Jesuiten die Domschule, die auch Heinrich besuchte. Inwieweit diese für seine Haltung in der Hexenfrage prägend waren, muss unklar bleiben. Für seine spätere Entwicklung bemerkenswert ist allerdings, dass bereits sein Vater 1597 an einem Hexenprozess als Schöffe beteiligt war, bei dem zwölf Frauen verurteilt und hingerichtet wurden. Wenn auch vergeblich, wurde der Vater von einem Sohn einer Verurteilten wegen Rechtsbeugung vor dem Reichskammergericht verklagt. Prägend dürfte auch der Verfolgungseifer von Bischof Dietrich im Paderborner Land und dessen Bruder Kaspar von Fürstenberg als Landdrost im Herzogtum Westfalen gewesen sein.

Neben der väterlichen Unterstützung erlaubte ihm eine kleine geistliche Pfründe ein Studium der Jurispudenz in Köln und Würzburg. Seine juristischen Lehrer ließen keinen Zweifel an der Notwendigkeit der Hexenverfolgung, plädierten dabei aber für die Zuständigkeit weltlicher Gerichte. Schultheiß schloss sein Studium mit dem Titel eines Doktors ab. Er verließ den Klerikerstand und trat als bürgerlicher Fachmann für das römische Recht in die Dienste des Mainzer Erzbischofs Johann Schweikhard von Kronberg. Er heiratete mit Adelheid Kemp eine Verwandte des kurkölnischen Kanzlers Dr. Johann Kemp. Wohl nicht zuletzt diese Verwandtschaft trug zum Wechsel in die Dienste der Kölner Kurfürsten bei.

Wirken als Hexenrichter

Wohnhaus des Hexenrichters Schultheiß in ArnsbergUm 1610 wurde Schultheiß zunächst Kommissar am Hofgericht in Köln und kam um 1614 nach Arnsberg in das Herzogtum Westfalen. Dort war er zunächst kurfürstlicher Rat und „advocatus fisci“ (d.h. Vertreter des Fiskus in Prozessen mit den Untertanen). Damit war er ein Mitglied der kurfürstlichen Zentralverwaltung und hatte gute Beziehungen sowohl zu seinen Vorgesetzten den Landrosten Kaspar und Friedrich von Fürstenberg. Auch sein Verhältnis gegenüber Ferdinand Erzbischof von Köln war vertrauensvoll.

Der Bonner Hof und die kurfürstlichen Beamten im Herzogtum waren im Zuge der Staatsbildung der frühen Neuzeit bestrebt, die Rechte des (fernen) Kurfürsten gegen die Landstände durchzusetzen. Wenngleich diese Bemühungen im Wesentlichen nur begrenzten Erfolg hatten, ist dieser berufliche Hintergrund doch bezeichnend. Das Phänomen der Hexenprozesse im 17. Jahrhundert war eben kein Relikt des Mittelalters, sondern vielmehr in gewissen Sinn Teil des frühneuzeitlichen Modernisierungsprozesses und des konfessionellen Zeitalters. Gerade auch bei Schultheiß sind Bekämpfung des „Hexenunwesen“ und Kampf gegen den Protestantismus nur schwerlich zu trennen.

Als Hexenprozesskommissar leitete Schultheiß 1616 die Hexenprozesse in Hirschberg und 1621 in Arnsberg. Daneben war er 1623 an Verfahren gegen Hochverrat im Bistum Paderborn beteiligt und war auch in diesem Zusammenhang für verschiedene Todesurteile und die Hinrichtung von Unterstützern des evangelischen Heerführers Christian von Braunschweig verantwortlich. Abgesehen davon, dass es sich hierbei um einen gänzlich anders gelagerten Fall handelt, muss betont werden, dass die Hexenverfolgung kein katholisches Phänomen war, sondern gleichermaßen in protestantischen Territorien stattgefunden hatte. Es handelte sich im Kern vielmehr um ein Phänomen einer tief verunsicherten Gesellschaft. Dafür spricht auch, dass sich evangelische Befürworter von Hexenprozessen ausdrücklich auf eine Schrift von Schultheiß (dazu s.u.) beriefen.

Die Tätigkeit von Schultheiß als Hexenjäger fiel in den 1630er Jahren mit dem Höhepunkt der Hexenverfolgungen überhaupt zusammen. Nach Angaben von Decker fallen allein in die Jahre 1628 bis 1631 im Herzogtum Westfalen über 600 Hinrichtungen. Nachweislich war Schultheiß dabei an Prozessen in Anröchte, Ostereiden, Erwitte und in Arnsberg beteiligt.

Neben den zahlreichen weitgehend unbekannten Verurteilten fiel dem Hexenrichter mit Henneke von Essen auch ein Kollege in den Diensten des Kurstaates und mehrfacher Bürgermeister der Residenzstadt Arnsberg zum Opfer. Inwieweit dabei etwa Konflikte zwischen der einheimischen, ständisch orientierten Funktionselite und den zentralstaatlich orientierten Abgesandten des Kurfürsten eine Rolle spielten, muss vorerst unklar bleiben.

Zum Dank für seine geleisteten Dienste erhob der Kurfürst Schultheiß in den frühen 1630er Jahren in den Adelsstand. Damit hatte er eine bemerkenswert moderne Karriere hinter sich. Obwohl sein Vater wirtschaftlich Großgrundbesitzer war, blieb dieser rechtlich doch Eigenhöriger. Sein Sohn schaffte durch Bildung und Protektion dagegen den Aufstieg nicht nur ins Bildungsbürgertum sondern sogar in den Adel. Auch sein Lebensstil bewegte sich wenig eindeutig zwischen den Ständen. Einerseits spricht der systematische Erwerb von Landbesitz und der Bau eines „Lusthauses“ im Dickenbruch bei Arnsberg für den Versuch, einen adeligen Lebenstil zu kopieren. Auf der anderen Seite ist der Kauf eines Sägewerks Beleg für einen ausgeprägten bürgerlichen Erwerbstrieb. In der Stadt Arnsberg bewohnte Schultheiß ein Haus direkt am Marktplatz und unmittelbar in der Nähe des Rathauses. Ob der volkstümliche Name „Himmelspförtner Haus“ sich auf die Tätigkeit von Schultheiß als Richter in Hexenprozessen bezieht, ist freilich umstritten. Das „Himmelspförtner Haus“ ist ein Haus auf dem Grundstück der späteren Gastwirtschaft „Zur Krim“. Dass heute im Gebäude eine Rechtsanwaltspraxis residiert, ist jedoch ein historischer Zufall.

Den weiteren Aufstieg verhinderte der Vormarsch protestantischer Truppen im Verlauf des dreißigjährigen Krieges. Bereits 1633 musste Schultheiß nach Köln fliehen, wo er auch seine Schrift über Hexenprozesse (s.u.) drucken ließ. Nach seiner Rückkehr ins Herzogtum Westfalen war er im Jahr 1643 an den „Zaubereiprozessen“ in Werl beteiligt.

In den Hexenverfahren spielte er eine verhängnisvolle Rolle, weil er kein Erbarmen mit den Opfern zeigte. Das Verfahren von Schultheiß entsprach dabei dem damals üblichen Vorgehen. Aufgrund von Denunziationen erfolgten Verhaftung, Folter, Geständnis und Urteil.

Gestorben ist er wohl im Jahr 1646 in Arnsberg.

Autor und Theoretiker der Hexenprozesse

Schultheiß ist heute vor allem berüchtigt durch sein Buch „Außführliche Instruction Wie in Inquisition Sachen des grewlichen Lasters der Zauberey…zu procediren“ von 1634. Dieses Buch hatte mit etwa 500 Seiten einen durchaus beachtlichen Umfang. Allerdings handelte es sich weniger um ein wissenschaftlich-juristisches Werk im engeren Sinne, sondern um eine Schrift die sich vornehmlich an den Adel in seiner Eigenschaft als Inhaber der Patrimonialgerichtsbarkeit richtete. Dafür sprechen sowohl die deutsche Sprache wie auch die Dialogform der Schrift. Auch inhaltlich war es nur teilweise eine Anleitung wie ein Hexenprozess zu führen sei. Daneben spielte auch die Rechtfertigung des eigenen Vorgehens, etwa im Fall des Bürgermeisters vom Essen, im Herzogtum Westfalen und dem Hochstift Paderborn eine wichtige Rolle.

Bemerkenswerterweise ging Schultheiß nur indirekt auf den ebenfalls eng mit Paderborn verbundenen Zeitgenossen Friedrich Spee von Langenfeld und seine gegen die Hexenprozesse gerichtete Streitschrift „Cautio criminalis, seu de processibus contra Sagas Liber“ ein.

Inwieweit die Schrift von Schultheiß tatsächlich Einfluss hatte, ist unbekannt, da nicht klar ist, in welcher Auflage sie erschienen war. Heute existieren noch fünf Exemplare. Auch war sein Buch bei den Zeitgenossen nicht unumstritten. Vielmehr haben sie, soweit man sehen kann, das Werk negativ beurteilt.

Das Buch Hochnötige Unterthanige Wemütige Klage Der Frommen Unschültigen des Amsterdamer Kaufmanns Hermann Löher von 1676 gibt z.B. auf S. 246 ein Verhör des damaligen Hirschberger Richters Heinrich von Schultheiss von 1616 wieder, der eine Angeklagte, die Wintersche, verhört und dabei Antworten suggeriert. Mit dieser Angeklagten hat sich der Hirschberger Pfarrer Michael Stappert unterhalten und diese Aufzeichnungen gemacht.

Wie anachronistisch das Buch von Schultheiß offenbar war, zeigt die Distanzierung von Kurfürst Ferdinand von Köln, der selbst einer der Verantwortlichen für zahlreiche Hexenprozesse war. Geradezu katastrophal für den Autor fiel ein Gutachten seiner eigenen „Alma mater“ der Universität Köln aus. Darin hieß es unter anderem: Die Schrift von Schultheiß „fuße auf ungewissen Grundfesten, nämlich auf menschlichen Mutmaßungen, auf liederlichen, frevlerischen Nachdenken…“

Literatur

Rainer Decker: Der Arnsberger Hexen-Richter Dr. Heinrich von Schultheiß (ca.1580-1646). In: Arnsberger Heimatblätter Jg.16/1995. S.22-35.

Weblinks

https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_von_Schulthei%C3%9F

http://dz-srv1.sub.uni-goettingen.de/cache/toc/D289241.html    (Eine Außführliche Instruction Wie in Inquisition Sachen des grewlichen Lasters der Zauberey gegen Die Zaubere der Göttlichen Majestät und der Christenheit Feinde ohn gefahr der Unschuldigen zu procediren …)